Illustration: Claudia Löffelmann
Nach dem Berta und Emil zu Besuch im Pflegeheim waren, sammeln sie gleich am nächsten Tag Ideen. Sie wissen zunächst noch nicht, was genau, doch DASS sich etwas ändern muss, das ist ihnen klar. Zu sehr hatte sie der Zustand der apathisch vor sich hin starrenden Bewohner des Pflegeheims getroffen. Niemand hat ein solch tristes Dasein verdient.
Pflegekraft-Mangel
Von Heiner, Oma Bertas Nachbar, wissen die beiden, dass es viel zu wenig Pflegekräfte gibt und nur die notwendigsten Dinge wie Essen (zu fest vorgeschriebenen Zeiten) und Hilfe beim Waschen, Aufstehen, Medikamentengabe usw unterstützt werden können. Doch auch Freude, Zwischenmenschlichkeit, Herzenswärme und die Zeit zum Reden sind lebensnotwendig. Und diese Unterstützung bleibt auf der Strecke. Heiner war früher 20 Jahre lang Pfleger in einem Seniorenheim, bis ihn diese Arbeit zu sehr auslaugte. Oft genug hat er sich nach einer langen Schicht privat Zeit genommen für all jene, die selten oder gar keinen Besuch erhielten. Bis er irgendwann sowohl mental aus auch körperlich nicht mehr konnte.
Dann müssen andere fürs lebenswerte Leben sorgen
Emil bringt es auf den Punkt: „o.k., wenn Mitarbeiter keine Zeit haben, dann braucht es Unterstützung von außen, oder?“ Berta stimmt zu. „Sehe ich auch so. Wir brauchen Mitstreiter und Zeit zum Organisieren. Schätze, das Zepter nehmen wir erst einmal in die Hand.“
Wer macht mit? Ehrensache Ehrenamt
Gleich am Abend trommelt Emil einige seiner Mitstreiter zusammen und erklärt ihnen sein Vorhaben: den Bewohnern im Pflegeheim regelmäßig lebenswerte Stunden bereiten. Alle sind dabei und sehen, wie notwendig es ist, an die Situation rasch zu ändern. Vorschläge gibt es viele. Eine Theatergruppe, die eigene Senioren-Band, gemeinsame Ausflüge und vieles mehr. Laura jedoch bringt es auf den Punkt. „Was, wenn die Bewohner dazu keine Lust haben? Wir mühen uns ab und nachher gefällt es niemandem. Wie wäre es, wenn wir sie nach ihren Wünschen zunächst fragen? Und dann legen wir mit der Planung los.“ Alle sind verblüfft nach dieser klaren Ansage. „Gebongt!“ sagt Anna. „Perfekt!“, ruft Felix. Und so beschließen fünf Leute, dass sie es anpacken werden und am Ball bleiben wollen. Nach einem intensiven Austausch mit den Bewohnern. Für manche ist es das erste Ehrenamt überhaupt
Die Heimleitung ins Boot holen
Oma Berta hat kurz darauf mit Herrn Fechner, dem Heimleiter gesprochen. „So lange ich keine Gelder von irgendwo anders dafür abzwacken muss, das Wohlergehen der Insassen nicht aufs Spiel gesetzt wird, das Ganze ungefährlich ist und alles in gesetzlichem Rahmen verläuft – warum nicht? Aber ich will auf dem Laufenden gehalten werden. Klar?“ Oma Berta hatte schon mit Bedingungen gerechnet. Amüsiert zwinkert sie Herrn Fechner zu. „Wir reden hier nicht über Bungee Jumping, Herr Fechner. Bis die Tage!“ Herrn Fechner rutscht vor Erstaunen die Brille auf die Nase. Hat er doch nicht erwartet, dass diese resolute ältere Dame vor ihm weiß, was Bungee Jumping ist.
Seniorenwünsche
Und genau 3 Tage nach Emils erstem Besuch im Pflegeheim steht er mit Oma Berta und seinen 4 Freunden wieder im Aufenthaltsraum des Pflegeheims. „Junge, Du hast Wort gehalten!“, ruft Ede, der Gitarrenmann. Er lacht von einem Ohr zum anderen, so sehr freut er sich über diesen Besuch. Emil stellt seine anderen Mitstreiter vor. Erwartungsvoll sitzen die Heimbewohner vor ihnen. Vielen steht Vorfreude und Hoffnung ins Gesicht geschrieben.
„Ich möchte soooo gern mal wieder in ein Symphoniekonzert. Aber alleine schaff ich das nicht.“, sagt Lieschen Müller. „Ja, ich auch! Und ich möchte mal wieder Klavier spielen. Meins konnte ich nicht mit hierher nehmen. Es war kein Platz.“, fügt Hete Neumann zu. „Ja, überhaupt watt mit Musike, det wär watt!“ sagt Ede, der Gitarrenmann. „Hin und wieder mal mit jemandem reden!“,… „mal ein neues Buch lesen. Nicht die ollen abgetriffenen aus der Heimbibliothek.“, … „Ich habs satt rumzusitzen. Mal raus kommen hier. Andere Menschen treffen.“ Und so vergehen zwei Stunden, bei denen die Heimbewohner auch untereinander ins Reden kommen und sich austauschen. Laura und Anna notieren unterdessen alle Wünsche eifrig mit.
Es wird noch ein lustiger Nachmittag, den Emil mit einer weiteren Kurzgeschichte aus Klaras Buch vorlesenderweise abschließt.
Ärmel hochkremplen
Eifrig diskutierend geht eine Gruppe durch die kleine Stadt. Eine agile, ältere Dame, die etwas von Bungee Jumping versteht, umringt von 5 jungen Leuten, die mit ihr scherzen als wäre sie eine ihrer Kommilitonen. Und Oma Berta fühlt sich gerade auch mindestens 20 Jahre jünger.
Morgen wird sich das Team wieder treffen. Bei Berta im Wohnzimmer. Und die gesammelten Wünsche sortieren und erste Umsetzungen planen. Jeder ist gespannt und auch ein wenig stolz auf sich selbst.
Allen Menschen, die uneigennützig anderen ihre Zeit schenken, danke ich auf diesem Weg von ganzem Herzen.
Ihre Petra Carlile