Der Satz „Ich habe die Kündigung bekommen“, geht Dennis nicht leicht über die Lippen. Genau genommen hat es 5 Wochen gedauert, bis er seinem besten Freund Harald davon erzählte. „Wieso sagst Du keinen Ton? Dir geht es nicht gut und ich erfahr nix davon!“, schimpft Harald kumpelhaft.
„Kündigung heißt doch, ich bin ein Versager!“
„Ich bin gebrandmarkt. Mich will doch kein Mensch mehr. Meine Karriere geht den Bach runter. Eine Kündigung erhalten ist doch das Gleiche, wie versagt zu haben…“ Betrübt blickt Dennis auf seine Füße. Harald stupst ihn an und meint: „Naja, mal ehrlich alter Freund: mit dem Trübe-Tassen-Gesicht würde ich Dich auch nicht einstellen wollen. Los jetzt, wir gehen eine Runde um den Block und Du erzählst mir alles. Und halt gefälligst den Kopf gerade!“
Manchmal braucht es die etwas schroffe Art eines besten Freundes, um aus dem Selbstmitleid-Sumpf aufzublicken.
Kündigungsgrund: Unternehmen in Schieflage
Beim 2-stündigen Spaziergang erfährt Harald die Einzelheiten. Die Auftragslage ist wegen der Pandemie zusammen gebrochen. Kunden des Unternehmens mussten Insolvenz anmelden. Deshalb gab es Entlassungen. Insgesamt waren es 20 Leute aus unterschiedlichen Abteilungen. Und obwohl Dennis eine größere Fachkompetenz und längere Firmenzugehörigkeit hatte als z.B. sein Kollege Torsten, hat man ihm gekündigt. Dennis hasst Torsten. Abgrundtief. Harald unterbricht den Hassmonolog: „Hattest Du nicht erzählt, dass dieser Torsten vor ein paar Monaten das zweite Mal Vater geworden ist?“ Dennis nickt. „Und Deine Kinder sind aus dem Haus und stehen auf eigenen Beinen und Deine Frau hat noch ihren Vollzeitjob, stimmts?“ Dennis nickt wieder. „Kann das sein, dass Deine Chefs sehr menschlich entschieden haben und es ihnen auch nicht leicht gefallen ist, überhaupt Leute zu entlassen?“ So langsam dämmert es Dennis auch, dass soziale Hintergründe die Entscheidungsgrundlage waren. Doch Torsten zu hassen war irgendwie einfacher.
Mal von der anderen Seite betrachtet
„Weißt Du, dass Du damit Torsten unglaublich hilfst? Und jetzt sei mal ehrlich: in den letzten beiden Jahren hat Dich der immer gleiche Trott doch auch genervt. Hast Du mir zumindest erzählt. Immer wieder.“ Eigentlich wollte Dennis von seinem Freund bedauert werden. Doch auch diese Betrachtungsweise hatte etwas. Harald piesackte freundschaftlich weiter.
Der hilfreiche Tritt in den Hintern
„Die Kündigung, mein Lieber, ist der Tritt in Deinen Allerwertesten! Wenn das Unternehmen nicht in die Schieflage geraten wäre, hättest Du noch Jahre weiter gejammert, wie sehr Dich Deine Arbeit anödet.“ Krass. Harald teilte heute ganz schön aus. So war das nicht gedacht. Doch Dennis bemerkte, wie er durchatmete. Auch lief er aufrechter neben seinem besten, jetzt provozierenden Freund. Statt zusammen aufs Schicksal zu schimpfen, legten sie fest, dass er viele Möglichkeiten hatte, sich neu zu orientieren. Gemeinsam stellten die Freunde einen Plan auf. Morgen wird sich Dennis intensiv mit der Frage befassen: „Was will ich nicht mehr? Was stattdessen?“. Wenn er dies bis ins kleinste Detail konkretisiert hat, widmet er sich der Frage: „Wie und wo kann ich das, was ich künftig will, umsetzen? Mit welchem Unternehmen? Wie spreche ich diese an? Wie zeige ich nach außen, was ich kann und will?“ Und jedes Mal, wenn er nicht weiter kommt oder das Gefühl, versagt zu haben, ihn übermannt, wird er Harald anrufen. Dieser steht Gewehr-bei-Fuß.
Was ist, wenn es nicht klappt?
Auch für erste Überlegungen eines Plan B reicht die Länge des Spazierganges. Sollte es knapp werden und sich innerhalb des einen Jahres Arbeitslosigkeit mit ALG I absehen lassen, dass der Traumjob gerade nicht frei zur Neuanstellung ist, kann Dennis übergangsweise andere Jobs annehmen und sich weiter umschauen. Solange er nicht aufgibt.
Selbstvertrauen zurückgewinnen
Eigentlich hatte Dennis seinen Freund angerufen, damit dieser mit ihm auf dem Sofa abhängt und in sein Klagelied des Scheiterns einstimmt. Doch zwei Stunden später sitzt er an seinem Schreibtisch mit einem Strategieplan statt auf dem Sofa mit der fünften Flasche Bier. Krass!
Sich dem Selbstmitleid hinzugeben, ist nur zu leicht. Weit schwerer, sich seiner Stärken und Fähigkeiten bewusst zu werden, wieder selbstbewusst in den Spiegel zu schauen und alle wirklich bescheuerten Vorurteile über Kündigung in Verbindung mit Scheitern lachend der Tür zu verweisen. Doch langfristig ist der Blick nach vorn der gesündere. Dass wir durch Scheitern gebrandmarkt sind für die Ewigkeit, wird leider in unserer deutschen Mentalität sehr gefüttert und gelebt. Wohl dem, der einen guten Freund und / oder Ratgeber / Mentor hat, der wach rüttelt, motiviert und wenn es nötig ist, mental in den Hintern tritt statt ins Klagelied einzustimmen!
Gekündigt zu werden, bedeutet noch lange nicht, gescheitert zu sein. Selbst wenn eigene Fehler der Grund dafür sind. Jede Veränderung in unserem Leben bietet die Chance für einen Neuanfang, für Weiterentwicklung. Manchmal erkennen wir dies erst viel später. Doch liegt dieser Weisheit eine Menge Wahrheit zu Grunde. Finden wir uns damit ab und ergreifen die neue Chance. Das ist hilfreicher als jedes Jammern.
Packen Sie es an! Erste hilfreiche Tipps finden Sie auch auf meiner Karriere-Seite.
Ihre Petra Carlile