Illustration: Claudia Löffelmann
Samstagnachmittag. Emil ist bei Oma Berta. Beide genießen ihren ganz privaten Zweier-Treff. Ob zu Hause alles o.k. ist, will Oma Berta wissen. „Ja, im Grunde schon. Ich hatte nur Zoff mit Papa. Dauernd nörgelt er an meinen Klamotten rum. Vielleicht nehme ich mir doch eine kleine Studentenbude.“ Zornig rührt Emil in seinem Kaffee. „Was genau ist mit Deiner Kleidung?“will Oma Berta wissen. „Es ist nichts mit den Klamotten an sich. Eher damit, WIE ich sie trage. Ich soll meine Hosen nicht immer so tief unten zu machen. Ich würde ausschauen, als hätte ich es nicht mehr zum Tö geschafft.“
„Hm. Offen gestanden gefallen mir diese Hosen auch nicht.“ sagt Oma Berta. „Neulich war ich in der Bibliothek. Dort fiel mir ein Stapel Zeitschriften aus der Hand. Und so ein junger Mitarbeiter, der auch eine Hinternhängehose trug, wollte mir beim Aufheben behilflich sein. Er ging in die Hocke und – glaub mir – es ergab sich kein schöner Anblick für mich.“
Wie willst Du wahrgenommen werden? Als kraftloses Fragezeichen oder als dynmiasche Persönlichkeit?
„Aber so ist nun mal die Mode! Ihr habt doch früher auch mit Elvis-Tolle und Bikini die älteren Generationen erzürnt und ihr habt es trotzdem durchgezogen…“ ereifert sich Emil. „Oh ja, das haben wir.“ stimmt Oma Berta zu. „Allerdings sind wir nicht im Job mit Bikini herum gelaufen. Schließlich wollten wir dort auch ernst genommen werden. Gerade Deine Hosen sind speziell:
- Du kannst nicht schnell damit rennen, weil du keine großen Schritte machen kannst.
- Musst Du ganz plötzlich einen Sprint einlegen, kannst Du schnell auf die Nase fallen.
- Zudem musst Du dauernd Angst haben, dass Du die Hose verlierst. Könnte peinlich werden. Gerade wenn Dir ein paar Mädels zuschauen.
- Außerdem sehe ich, dass sich Deine Haltung verändert, wenn Du eine Hose auf diese Art trägst. Cool wirkt das nicht. Dann schaust Du eher aus wie ein komisches, kraftloses Fragezeichen.
- Und Du wirkst auf mich, als hättest Du keinen Arsch in der Hose.“
Beurteilt und in Schubladen gesteckt
„Oma! Dieses Wort aus Deinem Mund?“, amüsiert sich Emil. „Ist ein Sprichwort, ich kann nichts dafür“ lächelnd zwinkert Berta ihrem Enkel zu. „Wir Menschen beurteilen uns sofort, wenn wir uns das erste Mal begegnen. Und schwups, ordnen wir den anderen in Schubladen. Die zickige Diva, der unmotivierte Student, der eiskalte Managertyp, die Gluckenmutter.“
Keinen Arsch in der Hose haben
„Keinen Arsch in der Hose haben bedeutet, sich nicht für etwas oder jemanden – in dem Fall vielleicht Dich selbst – einsetzen können, keinen Standpunkt haben oder eine Meinung nicht vertreten können. Mit dieser Hose wärst Du also ein Angsthase, der unflexibel ist und nicht schnell genug reagiert, weil zudem Deine Beweglichkeit eingeschränkt ist. Noch bevor Du etwas gesagt hast, steckst Du schon in der Schublade drin und hast es schwerer, mit Deiner wirklichen Persönlichkeit zu wirken.“
„Übrigens waren Hinternhängehosen auch ein Thema, als ich mich gestern mit Elke getroffen habe.“, schiebt Berta nach. „Weißt schon, die Seele von Mensch, die in der Mode-PR-Agentur arbeitet. Diese Hosen sind schon seit Jahren out, sagt sie. Und wenn einer das wirklich weiß, dann Elke. Also mit Deinem Modebewusstsein ist es gut, wenn Du Deine Hosen wieder in die Taille ziehst. Oder Dir eine neue besorgen. Ich gehe gern mit Dir shoppen. Du shoppst, ich bezahle. Und vielleicht finde ich noch einen fetzigen Bikini für mich….“. Emil fängt an zu lachen. „Oma, Du hast mich schon überzeugt. Auch ohne Shoppingtour.“
Kleidung beeinflusst unsere Haltung und unser Verhalten
Glauben Sie nicht? Probieren Sie es aus! Vorzugsweise zunächst im stillen Kämmerlein, und zwar vor einem großen Spiegel. Kleiden Sie sich mal als Punker, mal so, wie Sie sich als Mathelehrer/in vorstellen, mal im Hosenanzug oder Kostüm wie ein/e Vorstandschef/in. Dann gehen Sie auf den Spiegel zu und begrüßen Ihr Spiegelbild. Und? Was sagen Sie z.B. als Punker zu Ihrem Spiegelbild? „Guten Morgen. Ich hoffe, der Dow Jones ist nicht gefallen.“? Oder eher „… Tach Alter!…“?
Viel Spaß dabei! Ihre Petra Carlile